Trauerreden, Teil 1

Zwei Trauerreden haben wir auf der Trauerfeier unserer Mutter gehört. Die erste Trauerrede, die wir heute hier veröffentlichen, ist geschrieben von unserem guten Freund Gert Hager. Mit Gert verbinden mich zwei intensive Oberbürgermeisterwahlkämpfe, die eine Wahl haben „wir“ überragend gewonnen, die andere verloren. In dieser Zeit war Gert praktisch auch ein Teil unserer Familie, so wie auch die Mitglieder eines Wahlkampfteams eine Zeit lang Familienmitglieder des Kandidaten werden.

Gert hat sich daher nicht nehmen lassen, diese bewegende Trauerrede zu schreiben und vorzutragen:

Trauerrede von Gert Hager zum Tod von „Bärbel“

Was bleibt von einem Menschen wenn er geht?

Es bleibt die Erinnerung – die Erinnerung bei denjenigen, welche hier auf Erden zurückbleiben. Eine Erinnerung, die sich im Herzen eingräbt und damit auch den Schmerz über den Verlust eines lieben Menschen ein wenig mildern mag.

Und wenn ein Verstorbener sich in den Herzen seiner Lieben findet, so ist er nicht ganz von uns gegangen. Im Gegenteil, die Erinnerung an schöne und gemeinsame Stunden – die Erinnerung an gemeinsam Erlebtes, sei es gut oder auch weniger schön, gibt uns die Verbundenheit, welche uns als tiefes und unzerreißbares Band mit dem Verstorbenen verbindet. So ist es auch bei euch, liebe Familie von Beviye, gerufen „Bärbel“ Karadeniz – bei Ihnen lieber Herr Karadeniz und bei euch beiden, liebe Betül und lieber Besim.

Wenn ihr gegenüber anderen über eure Ehefrau oder über eure Mutter sprecht, dann ist da ganz viel Liebe und Zuneigung zu spüren.

Dies ist aber nicht erst jetzt beim Tode der geliebten Ehefrau, beim Tode der geliebten Mutter zu spüren. Vielmehr war dies auch stets zu Lebzeiten von ihr genauso und nicht anders.

Wenn ihr von ihr spracht in all den Jahren, da war sie zu spüren, diese unvoreingenommene Liebe, diese Liebe ohne Bedingungen, diese Liebe direkt aus dem Herzen kommend. Zu jedem Zeitpunkt war dieses Band bei euch zu spüren in guten wie in schwierigen Zeiten.

Es hat bei euch nie geheißen „machst Du das für mich, dann kann ich vielleicht auch für Dich etwas tun“. Niemals war es so! Diese bedingungslose Liebe ist auch gerade in diesen Tagen der Trauer, des Schmerzes über den ganz persönlichen Verlust zu spüren, ja sie ist mit Händen zu greifen. Genau das macht eure Beziehung zu Ihrer lieben Ehefrau, lieber Herr Karadeniz und zu Eurer Mutter, liebe Betül und lieber Besim, zu etwas ganz Besonderem und Unverwechselbarem.

Auf der einen Seite ist das eine so tiefgehende Verbindung, dass nur ihr selbst sie spüren könnt; auf der anderen Seite ist diese tiefe und vor allem echte Verbundenheit so groß, so strahlend, dass sie auch Freunde und Bekannte von euch verstehen und ein wenig fühlen können.

Das aber geht nur so, weil „Bärbel“ – wenn ich sie so nennen darf – genauso und genauso war in ihrer Art; ihrer Art und ihres Menschenbildes.

In Begegnungen mit ihr war diese tief in ihr verwurzelte Herzlichkeit und das unvoreingenommene Zugehen auf andere Menschen in jeder Sekunde spürbar. Da war niemals etwas Berechnendes; nein, im Gegenteil – sie hat einen bei jeder, auch zufälligen Begegnung immer wieder aufs Neue spüren lassen, dass man jetzt für sie wichtig und wertvoll war.

Dies konnte bei einer Feier ebenso geschehen wie bei einer zufälligen Begegnung in der Stadt und auf der Straße. Unzählige und spontane Gespräche sind daraus bei einer guten Tasse Kaffee entstanden. Zwei Dinge sind dabei besonders bemerkenswert: sie hat sich Zeit genommen für die Menschen und sie konnte sehr gut zuhören. Dies sind zwei wertvolle Eigenschaften, die in unseren schnelllebigen und zum Teil auch ganz schön egoistischen Zeiten vielen Zeitgenossen abhanden gekommen zu sein scheinen.

Nicht so bei Bärbel – sie hat die Mitmenschen jederzeit spüren lassen, dass sie wichtig für sie sind, jetzt und gerade in diesem Moment der persönlichen Begegnung. Dieses ganz persönliche Mitgehen, dieses Interesse am Gegenüber – sie hat dies in einer phänomenalen Weise ausgestrahlt, wie es heute im Alltag leider oft nicht mehr zu finden ist. Sie hat sich gefreut, wenn es einem ihr wichtigen Menschen gut geht, wenn dieser ihr eine gute Nachricht überbringen konnte. Aber sie hat auch diese feinen Antennen besessen, mit denen sie untrüglich gemerkt hat, dass sich im anderen Sorgen oder auch Trauer verbergen.

Dieses Gespür für das Sein des anderen – es war keine Neugier, um woanders etwas zu erzählen zu haben. Das war es überhaupt nicht, sondern es war echtes Mitfühlen mit dem anderen, dem es vielleicht in diesem Moment gar nicht gut geht. Damit hat sie auch sehr viel Trost gespendet und Aufmunterung gegeben und es war einfach wunderschön und ungemein bereichernd, wenn man sich mit ihr unterhalten konnte. Diese tief verwurzelte Herzlichkeit, verbunden mit echtem Interesse am Leben des Mitmenschen war bei Ihr kombiniert mit einer großen Portion Humor.

Sich in eine negative Stimmung hineinreißen zu lassen, das lag ihr nicht. Sie hat auch im Schlechten stets versucht, auch gute Punkte, ja den Hoffnungsschimmer zu sehen. Diese überaus positive Einstellung zum Leben hat sie vermittelt – euch in der Familie, aber auch allen anderen, die sie im Leben gekannt haben.

Verknüpft war dies bei ihr auch mit echtem Interesse an gesellschaftlichen und/oder politischen Entwicklungen. Ihr Gedächtnis auch dazu und ihre Kombinationsgabe zu bestimmten, alle betreffenden Ereignissen war bemerkenswert. Sie war immer gut informiert über tagesaktuelle Ereignissen, sei es in unserer Stadt, sei es auf höheren Ebenen. Bärbel war gut unterrichtet in den großen sozialen Fragen, sie war kein Mensch, der sich ins Private zurückzog wie es heute leider so viele machen.

Für sie war Engagement, sei es in Bezug auf gesellschaftliche Entwicklungen oder auch ganz persönlich im Ehrenamt selbstverständlich und auch sinnstiftend. Und sie konnte dies verbinden mit ganz besonderen Fähigkeiten; Fähigkeiten, die auch über das bereits Beschriebene hinausreichen. Fähigkeiten wie zum Beispiel ihre unglaubliche Fertigkeit bei Handarbeiten, wie sie hier schier Unmögliches mit einer scheinbaren Leichtigkeit zustande gebracht hat.

Dies zeigt auch einen anderen, sehr feinen Charakterzug von ihr: dranbleiben, nicht aufgeben. Wenn etwas schwierig war zu verwirklichen, dann hat sie so lange beharrlich darauf hingearbeitet, bis es doch noch fertiggestellt werden konnte und das Ziel erreicht war. Es war aber keine Verbissenheit und kein Beweisen-müssen wie gut sie ist, welches sie hier antrieb – vielmehr war es der Ehrgeiz ein Ziel zu erreichen und etwas zu einem guten Ende zu bringen, so wie man es sich vorgenommen hat.

All diese Eigenschaften und noch vieles mehr, machen Bärbel – Ihre Ehefrau und eure liebe Mutter – zu einem ganz besonderen Menschen. Zu einem Menschen, der nicht mit dem Tod vergessen wird; nicht bei Freunden und Bekannten und schon gar nicht bei euch, eurer engen und von ihr so sehr geliebten Familie.

Für euch hat sie alles getan und sich stets gesorgt, dass es euch gut gehen möge. Sie hat in einer ganz feinfühligen Art auf das Miteinander im Familienleben geachtet – in einer Weise, dass sich keiner eingeengt fühlen musste, sondern vielmehr sich wohlfühlte. Damit wurde Familie für euch zur Heimat, zu einer Art ganz sicherem Hafen. Hier konntet und dies wird fortbestehen, hier könnt ihr innehalten und auftanken.

Dies ist auch Bärbels ganz besonderes Geschenk, ihr Vermächtnis an euch. Ihr Sein sagt euch, dass ihr diesen Zusammenhalt bewahren könnt und sollt – es ist eben ein ganz besonderes Geschenk.

Und auf diese Weise wird sie bei euch sein, jetzt hier in dieser schweren Stunde, aber auch in der Zukunft an jedem neuen Tag. Sie ist bei euch, sie lebt weiter in euren Herzen und das mag euch jenen Trost geben, den ihr jetzt gerade ob des schweren Verlustes bedürft.

Und auch wir, die Freunde und Bekannten eurer Familie gedenken an Bärbel, heute und in Zukunft. Indem wir dies tun lebt sie auch für uns weiter und die Erinnerung an sie wird eine schöne, eine heitere sein. Sie wird uns als der fröhliche und zugleich gewissenhafte Mensch in Erinnerung bleiben, der sie nun einmal war.

Mit Sicherheit hat sie dies auch so gewollt und gibt uns dies mit auf unseren Wegen, jedem Einzelnen von uns. Und so ist sie auch stets bei uns und unter uns – heute, morgen und an jedem zukünftigen Tag.